Schulmediziner kommunizieren immer in der Sie-Form, weil das unpersönlicher ist und die Hierarchie klar abgrenzt. Die meisten Schulmediziner wollen keine direkte Beziehung zu den Patienten. Das würde bedeuten Verantwortung zu empfinden. Der Naturmediziner wünscht eine direkte Beziehung zu den Hilfesuchenden und kommuniziert darum in der Du-Form.

Ein Naturmediziner liebt die ehrlich Hilfesuchenden. Die Unehrlichen lehnt er ab. Der Grosse Geist liebt alle Menschen und hilft ihnen immer.

Das „Du“ wird nur von oben nach unten akzeptiert. Ein Ranghöherer darf einem Rangniedrigeren gerne nach Belieben das „Du“ anbieten. Ihm steht die Wahl zwischen Duzen oder Siezen frei. Ein Chef seinem Angestellten, ein Lehrer seinem Schüler etc.

Die Hierarchie ist einzuhalten. Sollte kein Rangunterschied bestehen, gelten andere Faktoren. Im Berufsleben z. B. die Dienstjahre. Duzen oder Siezen. Diese Wahlfreiheit ist nur den „Rang-Höheren“ gegeben. Von unten nach oben das „Du“ anzubieten zeugt von schlechten Manieren und könnte ausserdem die künstliche Autorität untergraben. Es sollte also grundsätzlich nicht vorkommen.

Die „Du-Haltung“

  • sorgt für flachere Hierarchien
  • verringert formale Barrieren
  • öffnet die Gemeinschaft gegenüber neuen Kollegen
  • stärkt den Teamgeist

Immerhin 23,8 % aller Befragten halten das „Du“ für zeitgemäss und im Job angemessen und das „Sie“ für höflich, aber zu steif und antiquiert.

Die „Sie-Haltung“

  • betrachtet die durch das „Siezen“ vermittelte Distanz als Sicherheitsabstand und oft auch als Respektzeichen. Das „Du“ simuliert Augenhöhe und bewirkt falsche Vertrautheit.
  • ist – vor allem für Frauen – ein Eindringen in die persönliche Komfortzone.
  • verschlechtert die Streitkultur. Durch die fehlende Distanz führt das „Du“ beim Streit zu viel persönlicheren Angriffen als das „Sie“. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Streit per Du unter die Gürtellinie zu geraten, ist besonders hoch. Man kann per Sie einfach respektvoller streiten, erklärt Arbeits- und Gesundheitspsychologe Tim Hagemann, Pro-Rektor an der Bielefelder Fachhochschule der Diakonie.

Fünf Gründe, warum wir uns vom Siezen verabschieden sollten

  1. Es macht uns alle zu „Menschen“

Siezen betont Distanz und Hierarchie. Welche Menschen brauchen diese künstliche Distanz? Können wir nicht einfach gleichwertig sein, egal, ob reicher, erfahrener, schöner, besser, leistungsfähiger oder einfach nur älter? Ist einen sichtbar auserwählten Kreis von Vertrauten um sich zu ziehen und den Rest aussen vor zu halten, nicht bei manchen gar eine Ausgrenzung Fremder, die unter Umständen den Geist von Fremdenfeindlichkeit nährt? Immer, wenn die Botschaft bedeutet: „Sie gehören nicht dazu“?

  1. Es ist internationaler

Mir ist schon klar, dass es in dieser weiten Welt Kulturen gibt, die noch ganz feinere und differenziertere Abstufungen in der Sprache haben, wie z. B. Japan, die mit „san“, „sama“, „chen“ und all den anderen Anredeformen noch viel mehr Komplexität schafft als unsere zwei Du- und Sie-Stufen. Doch Japanisch als Kommunikationsweg ist nicht die Lingua Franca, sondern weltweit setzt die internationale Verständigung auf den gemeinsamen Nenner Englisch.

  1. Es ist unkomplizierter und entspannter

Unsere Welt wäre viel einfacher, unproblematischer, menschlicher, wenn wir mit kindlicher Verspieltheit an unsere zwischenmenschlichen Beziehungen herangehen würden.

  1. Es eliminiert Taktieren und politisches Verhalten

Gerade in Organisationen und komplexeren sozialen Systemen führen unterschiedliche Anreden zu einer Verschwendung von Ressourcen: Ist es nicht besser, sich auf die Arbeit zu fokussieren, anstatt stets sich zu fragen: „Mag der mich nicht?“, „Will der was von mir?“ und „Wenn ich den im Meeting auf Englisch mit Vornamen angeredet habe, soll ich ihn jetzt auf Deutsch immer noch siezen?“

  1. Respekt, nicht Macht

Respekt kommt nicht von einer Anrede, sondern durch echtes Wertschätzen, Empathie, aktives waches Hören und Verstehen. Selbst in Japan ist echte Höflichkeit nicht das Beherrschen der Anrede-Feinheiten, sondern: ruhig bleiben, nicht drängeln, immer schön in der Schlange stehen, kein Trinkgeld geben und nicht laut herumbrüllen.

Man kann nicht Charakter und Mut schmieden, indem man Initiative und Unabhängigkeit lähmt.

Ich spreche immer in Du-Form. Ich heisse André. Ich bin nicht mein Name. Mich dürfen auch alle Menschen duzen. Die Sie-Form wurde entwickelt, damit sich die Könige und Eliten abgehoben und überlegen fühlen können. Ich duze also auch alle Menschen, mit Ausnahme derjenigen, welche die „Sie-Form“ benötigen, um sich überlegen zu fühlen.

Meine Empfehlung an Dich:

  • Hör auf Dein Gegenüber zu siezen. Die Wahrheit ist zum Teil sogar intim. Und da ist per Du zu kommunizieren authentischer, direkter, ehrlicher und vertrauenswürdiger.
  • Ändere dort, wo Du noch kannst, die künstliche „Sie-Form“ in die natürliche „Du-Form“.
  • Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, soll seine Haltung überprüfen. Wer das „Du“ ablehnt, hat seine Gründe – und ich überlege mir, ob ich mit diesem Menschen arbeiten möchte.
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